Computer Modell Katalog

 

MARK I, II, III, IV

Einen ähnlichen Verlauf wie Zuses Z-Serie in Deutschland nahm die Rechenmaschinenentwicklung auch in den USA. Der Mann, der den ersten amerikanischen Rechenautomaten entworfen und gebaut hat, war ein weithin bekannter Wissenschafter, Howard H. Aiken, Professor für angewandte Mathematik an der Harvard Univsität in Cambridge, Mass. 1939 begann er mit der Unterstützung der IBM Corporation mit dem Bau eines Rechenautomaten, der vorwiegend Standardbauteile der Lochkartentechnik wie Relais, dekadische Zählräder, elektrische Kupplungen usw. enthielt. Er nannte seine Maschine "Automatic Sequence Controlled Computer" (ASCC). Sie ist auch bekannt unter dem Namen "Harvard Mark I". Am siebten August 1944 wurde sie formell dem Computation Laboratory der Harvard Universität übergeben. Durch den Krieg bedingt, wußten Aiken und Zuse naturgemäß gegenseitig nichts von ihrer gleichartigen Entwicklung. Interessanterweise ist die Maschinenkonzeption bei beiden Wissenschaftlern nahezu gleich und entspricht seinerseits wieder den Grundideen von Charles Babbage, von dessen Wirken beide erst später erfuhren. Aiken verwendete als Rechenelement und Zahlenspeicher noch das dekadische Zählrad, jedoch in einem vorher nie gekannten Ausmaß. Im Vergleich zur Zuse Z3 war Mark I eine riesenhafte Maschine mit über 700000 Einzelteilen, 3000 Kugellagern und 80 Kilometern Leitungsdraht und füllte eine über 15 Meter lange und fast zweieinhalb Meter hohe Wandfläche. Sie rechnete parallel-dezimal und enthielt hierfür 72 Addierzähler zu je 23 Dezimalstellen, sog. Akkumulatoren, die sowohl zum Speichern von Zahlenwerten als auch zum Addieren geeignet waren. Daneben gab es eine separate Einheit zur Multiplikation und Division, Kurzzeitspeicher aus Relaisketten und Schaltersätze als Festspeicher. Ein Additionsakt dauerte ca. 0,3 Sekunden, eine Multiplikation zweier zehnstelliger Zahlen ungefähr sechs Sekunden und eine Division etwa 11 Sekunden. Zur Dateneingabe waren Lochstreifen und Lochkartenleser und zu Datenausgabe Kartenlocher und elektrische Schreibmaschinen vorgesehen. Das Programm war, dual codiert, in einem 24 spurigen Lochstreifen gespeichert. Die ersten acht Spuren enthielten die "Von-Adresse", d.h. die Seriennumer eines Akkumulators, Festspeichers oder einer Recheneinheit, von der eine Zahl zur weiteren Verarbeitung abzurufen war. Die zweiten acht Spuren enthielten die "Nach-Adresse", d.h. die Seriennummer derjenigen Funktionseinheiten, in welche die gerade abgerufene oder verarbeitete Zahl gebracht werden sollte. In diesem "Zwei-Adreß-System" spiegelten sich die Abstammung von der Steuerung der Lochkartenmaschine deutlich wieder. Die dritten acht Spuren schließlich enthielten den Operationscode, d.h. Anweisungen, was mit der abgerufenen Zahl zu geschehen hatte. Mark I hat nach seiner Fertigstellung im Jahre 1944 zur vollen Zufriedenheit seiner Erbauer noch lange Zeit im Tag- und Nachtbetrieb gearbeitet. Seine Rechengeschwindigkeit war zwar langsam und seine Speicherkapazität begrenzt, verglichen mit den späteren Maschinen Aikens Mark II, III und IV. Es war aber der erste programmgesteuerte Rechenautomat der neuen Welt und der Anfangspunkt einer steil aufwärtsführenden Entwicklung, die den Vereinigten Staaten eine führende Stellung auf dem Gebiet der Datenverarbeitung für viele Jahre einbrachte. Der hervorragenden Leistungen Professor Aikens fanden auch internationale Anerkennung. Die erste weltweite Konferenz zum Thema "Nachrichtenverarbeitung" 1959 in Paris (Frankreich) wählte Prof. Aiken zu ihren Präsidenten. Der Kongreßbericht wurde ihm zusammen mit John v. Neumann gewidmet, eine verdiente Ehrung für zwei Pioniere der modernen Datenverarbeitung.